Audi SQ8 TFSI & BMW X6 M60i
SUV-Coupés mit über 500 PS im Test

Sie gelten als die Bad Boys vom Dienst. Mit mächtigen Achtzylindern faszinieren große Fünf-Meter-SUV-Coupés in einer wilden Gemengelage zwischen Lust und Leistung sowie Sinn und Verstand. Wer holt in diesem Duell den Testsieg?

Audi SQ8 TFSI, BMW X6 M60i
Foto: Achim Hartmann

Versucht man, sich der Welt der SUV-Coupés rational zu nähern, beißt man auf Stahl und Aluminium. Zu behaupten, dass diese Fahrzeugkategorie keinen Sinn ergeben würde, gliche dem Versuch, Jean Paul Gaultier im Kamingespräch zu erklären, dass ein Jack-Wolfskin-Anorak seine gesamte neue Haute-Couture-Kollektion überflüssig mache – grundsätzlich richtig, aber nicht der Punkt. Gekauft wird, was gefällt und manchmal auch provoziert und auffällt. Und würden BMW X6 und Audi Q8 nicht gefallen, provozieren oder auffallen, wären sie wohl nicht so erfolgreich. Gerne greift man dabei zu standesgemäß vielzylindriger Motorisierung. Daher versuchen wir heute, die beiden V8-Exzentriker mit zumindest ein paar rationalen Argumenten zu vergleichen.

Unsere Highlights

Der Audi schrumpft zu einem dynamisch-kompakten Ganzen. Der BMW fährt undefinierter und unpräziser.

Schon beim Druck auf den Startknopf ist klar, dass der SQ8 keiner ist, der sich brav hinter der akkurat geschorenen Grundstückshecke versteckt. Der Vierliter-V8 räuspert sich deutlich mit dunkler Stimme, aber nicht unflätig. Kurz darauf: Ruhe. Bei geringer Last verabschieden sich die Zylinder 2, 3, 5 und 8 aus dem Geschehen, um den Verbrauch zumindest etwas einzudämmen. Ob die Maßnahme erfolgreich war, ist angesichts von 13,5 l/100 km Testverbrauch nicht so leicht zu beantworten. Muss man aber auch nicht, denn der Audi SQ8-Antrieb trifft ins Herz statt in den Kopf. Schneller Drehmoment-Gipfelsturm bei knapp 2.000 Umdrehungen, wütendes Toben durch die Mitte bis rund 6.500 Touren und eine Automatik, die die Wucht des Motors kalkulieren kann und in den braveren Modi nur dann runterschaltet, wenn es wirklich notwendig ist. So gibt sie dem V8 die Möglichkeit, den Ladedruck und die Kraft aufzubauen und zu entfalten, statt sie einfach nur an allen vier Rädern auszukippen. Dazu ist der Sound herrlich analog, düster und bassig, vor allem natürlich ohne Lautsprecher-Autotune. Im Sportmodus öffnen sich die Auspuffklappen, der Donner rückt näher, ohne penetrant laut zu werden – innen wie außen. Dazu sendet der V8 immer wieder zarte Vibrationen ins Lenkrad und macht klar: Hier ist Leben, Leistung und Mechanik unter der Haube.

Am Roboterarm

66,1 km/h schnell wuchtet der SQ8 seine 2,3 Tonnen schwere und 1,99 Meter breite Karosserie durch den Slalom.

Dabei kommt der Komfort nicht zu kurz. Auf der Autobahn liefert der Audi SQ8 TFSI einen sehr harmonisch-ruhigen Geräuscheindruck und hält auch bei hohem Tempo ordentlich die Spur. Nur grobe Längsrillen sorgen für Unruhe. Der Antritt bis 250 km/h Spitze ist nahtlos, wuchtig und geschmeidig zugleich. Dank optionalem Luftfahrwerk mit Wankausgleich hält der SQ8 seine 2,3 Tonnen beachtlich stabil in der Waage. Kurze Unebenheiten bringen oft Erschütterungen in den Fahrgastraum, da die 22-Zoll-Rä- der grob abrollen. Stärkere Verwerfungen jedoch kontert das hochtechnologisierte Fahrwerk gekonnt.

Genauso spielt es bei allen Streichen gegen die Physik mit. Wie der Riese grippt, wie er sich mit seiner präzise-direkten Lenkung, die mit definierten Rückstellkräften auch eine Spur Gefühl über den Vorderwagen vermittelt, in Kurven stürzt und wie bei einsetzendem Untersteuern ein imaginärer Roboterarm den Fünf-mal-zwei-Meter-Brocken wie auf dem Straßen-Spielteppich zurück in die Linie eindreht: Das alles ist das Resultat der gelungenen Vermittlungsarbeit zwischen der Hinterradlenkung (Serie), dem Wankausgleich und dem Sportdifferenzial (zusammen 4.800 Euro). Das Diff verteilt beim Einlenken die Momente zwischen den mit bis zu fünf Grad gegenlenkenden Hinterrädern, die aktiven Stabilisatoren stellen sich steif, und am Kurvenausgang hebelt das Heck den SQ8 im fein regelnden ESP-Sport-Modus in ein zartes Leistungsübersteuern.

Das Geniale: Zwar fühlt sich das nach viel Steuergerät-Magie statt eigenem Fahrtalent an, schafft aber dank der verlässlich präzisen Lenkung so viel Vertrauen, dass man im SQ8 alsbald wie ein Elefant, der das Geschirr heil lässt, durch den Porzellanladen fegt. Erst der Gegenverkehr macht dir schlagartig bewusst, dass der SQ8 eben doch nicht so kompakt ist, wie er es dir verkauft.

Klingt jetzt alles schwer nach Erste-Welt-Problemen, und das stimmt auch. Dennoch vergisst der Audi SQ8 das normale SUV-Leben nicht. Vom Q7 übernimmt er die verschiebbare, bequeme Rückbank (220 Euro), einen praktischen, leicht verkleinerten Kofferraum und den bequemen Einstieg. Das Facelift brachte eine in vier Modi konfigurierbare Rückleuchtengrafik (990 Euro) sowie neue Apps wie Amazon Music und Spotify. Die bieten etwas mehr Infotainment-Vielfalt im gut auflösenden Audi-System. Einzig die kleine Bildschirmdiagonale fällt auf, was jedoch nichts an der simplen Fahrzeugbedienung mit vielen echten Tasten, stets zugänglichen Klimaeinstellungen am unteren Display und der insgesamt sehr feinen Qualität ändert.

Hochwertiges Cockpit mit fein klickenden Reglern. Die Screens bieten ein haptisches Touchfeedback.

Sechs mit X

Da wirkt der BMW vom schepperigeren Türschließgeräusch bis zu den schwarzen Glanzflächen im Innenraum eine Spur weniger trutzburgig. Dafür bietet er gestepptes Leder, hält seinen Kofferraumboden mit einem Gasdruckdämpfer oben und verwöhnt mit einem feinen Alcantara-Himmel (1.200 Euro). Er spielt das Thema Luxus neuzeitlicher, bietet eine irre Funktionsfülle, angefangen bei der sensationellen Sprachsteuerung, die dich tief in die inzwischen gar nicht mehr so simpel zu durchstreifenden Menüs führt. YouTube, Spielezocken mit dem Smartphone als Controller oder die Einprägung von Gewohnheiten – das sind nur ein paar der Features, die den Audi und sein an sich gutes System dann doch etwas alt aussehen lassen. Trotzdem braucht der BMW Eingewöhnung, da sich nicht jede Funktion auf Anhieb erschließt. Die Klimabedienung im Untermenü hätte es genauso wenig gebraucht wie die im elektronischen Keller verpackten Assistenzeinstellungen. Mit den praktischen Shortcuts geht jedoch trotzdem vieles schneller als im SQ8.

Praktisch: viele Shortcuts im Top-down-Menü.

Und da der BMW X6 M60i als besonders Coupé-artiges Exemplar seiner Zunft auftritt, bringt er ein paar Nachteile mit sich. Das beginnt beim Ein- und Ausstieg, schließlich sollte gerade der bei einem SUV – Coupéheck hin oder her – besonders gemütlich sein. Im BMW fühlt es sich immer an, als müsste man aus einem Boot hinunter auf einen Steg treten: Die ausladenden Schweller unterhalb der Tür zwingen zu einem großen Schritt nach draußen. Hinten ist der Einstieg für einen Fünf-Meter-SUV überraschend fordernd. Das Raumgefühl verströmt Enge wie Geborgenheit gleichermaßen. Der Kofferraum kommt mit einem großen Unterflurfach, welches das Ladevolumen zumindest in die Nähe des Audi bringt, aber in Sachen Nutzbarkeit haben die vier Ringe viele Vorteile. Das flach zulaufende Heck macht den X6 unübersichtlich. Dennoch gefällt das fahrerzentrierte Cockpit mit seinen haltstarken, bequemen Integralsitzen.

Das M-Logo in der Zierleiste wird in Wunschfarbe oder je nach Fahrmodus illuminiert.

Fahrerzentrierung lebt der BMW X6 dann auch auf der Straße, richtig? Leider nein, denn dafür passt speziell die Lenkung nicht. Sie hängt leichtgängig zwischen den Anschlägen, teilt ihre Verbindung zur Vorderachse nur durch die Richtungswechsel mit, die sie überträgt. Feedback, Gefühl, Präzision? Zwar vorhanden, aber in zu seichter Dosierung. Hinzu kommt, dass auch der X6 seinen Bewegungsapparat mit der Technik-Armada aus Allradlenkung, Wankausgleich und Sportdifferenzial an der Hinterachse ausrüstet, jedoch nicht im Ansatz so gekonnt Frisbee mit der Physik spielt wie der SQ8.

Die Vorderachse knickt schneller ein, die um drei Grad gegenlenkenden Hinterräder und das Diff brauchen viel zu lange, um ihr mit etwas Rotation im Heck zu helfen. Und so entsteht ein etwas wackliges Dynamik-Trumm, das dir erst mal nicht so recht das Du anbietet. Ein weiterer Grund dafür: Statt Luftfedern kommen im BMW Stahlfedern zum Einsatz. Eigentlich nicht schlimm, doch trotz der adaptiven Dämpfer hat der X6 seinen Aufbau so nicht im Griff. Unebenheiten lösen ständig leichte Nick- und Kippelbewegungen aus, die man aus der erhöhten Sitzposition verstärkt wahrnimmt. Zwar rollt er sanfter ab als der Audi, doch er gibt grobe Unebenheiten und Querfugen auf der Autobahn ungehemmter an die Besatzung weiter.

Feedback, Gefühl, Präzision? Im BMW leider nur schwach dosiert vorhanden.

Zur Ehrenrettung kann der BMW X6 M60i den Audi SQ8 TFSI im Sprint leicht distanzieren, ohne dass sein neu entwickelter Biturbo-V8, der statt einer Zylinderabschaltung ein Mildhybrid-System beschäftigt, die ganz großen Emotionen weckt. Ihm fehlt der initiale Punch aus niedrigen Lagen. Der 4,4- Liter braucht rund 3.000 Touren, bis er richtig loslegt, obwohl er bereits ab 1.800 Umdrehungen voll im Saft stehen sollte, feuert dann aber umso lustvoller in die hohen Lagen. Die blitzschnelle Automatik muss öfter herunterschalten, unterstützt die Drehzahlgier mit kurzer Abstufung der mittleren Gänge. Vor allem aber enttäuscht der leblose Klang. Füllt der Audi das Vortriebsgeschehen mit Seele und Sound, nimmt man den BMW-V8 im Comfort-Modus nur sehr distanziert wahr. Im Sport-Modus regiert leider ein Synthie-Orchester, dessen V8-Interpretation ein so großartiger Motor nicht verdient hat.

Verdienen muss man sich beide Luxus-SUV, denn Kaufpreise und Unterhaltskosten haben es in sich. Auch wenn der optional erhältliche DVD-Spieler die betagten Wurzeln des Audi aufdeckt, sind dessen Alltagskompetenz, die Dynamik und der charaktervolle Antrieb zeitlos genug für den Sieg – auf der Ebene von Jack Wolfskin und Gaultier.

Fazit

1. Audi SQ8 TFSI
562 von 1000 Punkte
2. BMW X6 M60i
536 von 1000 Punkte
Technische Daten
Audi SQ8 TFSI BMW X6 M60i
Grundpreis119.500 €119.400 €
Außenmaße5004 x 1995 x 1708 mm4960 x 2004 x 1700 mm
Kofferraumvolumen605 bis 1755 l580 bis 1530 l
Hubraum / Motor3996 cm³ / 8-Zylinder4395 cm³ / 8-Zylinder
Leistung373 kW / 507 PS bei 5500 U/min390 kW / 530 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h250 km/h
Verbrauch12,0 l/100 km